Blog 1: Teil 4: Sonderfall APPENZELL INNERHODEN, die weltberühmte Geschichte und die Spezialfall Wädenswil
Sonderfall APPENZELL INNERHODEN, die weltberühmte Geschichte
Der Halbkanton hat heute knapp 15000 Einwohner*innen, ist also nicht viel mehr als ein Dorf, auf das ich im Ausland regelmässig angesprochen werde: «Are the women in Appenzell allowed to vote nowadays?» Ja, seit 20 Jahren dürfen auch sie ihre Meinung kundtun und mitbestimmen, Dank der Klage einer jungen Frau.
Das Frauenstimmrecht musste in Appenzell Innerhoden tatsächlich auf dem Rechtsweg eingeführt werden, die Appenzeller Männern verweigerten den Frauen das Recht hartnäckig: Das Bundesgericht entschied am 27. November 1990, dass auch in Innerrhoden die Frauen ab sofort stimmberechtigt waren, die Männer des Kantons hatte dies bis dahin zweimal abgelehnt. Aufgrund einer Klage der damals einundzwanzigjährige Töpferin Theresia Rohner, entschied letztlich das Bundesgericht. Sie hatte am Landsgemeindeplatz, dem Ort, wo die direkte Demokratie per Handzeichen oder Säbelheben gepflegt wurde, einen Laden eröffnet, Dank dem Segen ihres Mannes. Zu Rohners Kundinnen gehörten nebst den Einheimischen auch viele Touristen, die sich wunderten, dass die Geschäftsfrau zwar Steuern zahlen musste, aber kein Mitspracherecht hatte. Der Entscheid am 27. November 1990 fiel einstimmig: "Wer den Frauen dieses Recht verweigert, verstößt gegen die Bundesverfassung."
Die Innerrhödler aber waren miserable Verlierer. Die Einheimischen kauften kaum mehr bei Theresia Rohner ein. Auch das Fotogeschäft ihres damaligen Mannes litt. Die Familie erhielt schon Monate vor dem Entscheid Drohanrufe und zog deshalb den Telefonstecker. Nach dem Urteil kamen auch Morddrohungen mit der Post. Sie habe Angst um ihre Kinder gehabt, wird sie später erzählen. Die Familie wurde unter Polizeischutz gestellt. Im April 1991 war es dann endlich so weit: Theresia Rohner durfte zum ersten Mal in Appenzell wählen. Begleitet von Polizisten ging sie auf den Landsgemeindeplatz. Erstaunlicherweise sei alles absolut normal abgelaufen. "Es war, als ob wir schon immer dagestanden wären."
Neben Käse und Uhren gehört das Appenzeller Frauenstimmrecht inzwischen zum Exportschlager der Schweiz.
Spezialfall Wädenswil
Ich bin mehrheitlich in Wädenswil am Zürichsee aufgewachsen, eigentlich auch ein Dorf, aber grösser als Appenzell und auch meine Gemeinde kam in die internationalen Schlagzeilen aufgrund eines weiblichen Anliegens. Zur Freude aller, die Deutsch als Fremdsprache lernen mussten, kennen die Unterscheidung der Berufsbezeichnungen nach Geschlechtern. Ich bin kein Theatermacher, sondern eine Theatermacherin, eine Managerin und kein Manager. Das mag umständlich erscheinen, aber Sprache formt das Denken! 1993 wollte Wädenswil nach 100 Jahren die Gemeindeordnung komplett in der weiblichen Form schreiben und die Männer in der Präambel erwähnen, wie bisher die Frauen ‚mitgenannt‘ wurden. „Für die nächsten 100 Jahre soll das Umgekehrte gelten, bis die Männer sich wieder wehren.“ erklärte die Sprecherin Hansruedi Maurer der Presse. Was der Gemeinderat genehmigte, lehnte das Stimmvolk ab. Vom 100-jährigen Vorrecht wollten die Wädenswiler Männer nicht abrücken und als Wädenswilerinnen mitgenannt werden, ich hätte mir mehr Solidarität und Flexibilität gewünscht.
Fortsetzung folgt..
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